See- oder Reisekrankheit (Kinetose)
Alles was es zu Wissen gilt und wie Mentaltraining im Umgang damit helfen kann!
Faktencheck:
- Jeder kann seekrank werden!
- Kinetose, Motion sickness oder Seekrankheit ist ein normaler körperlicher Vorgang wenn man über ein gesundes Gleichgewichtsorgan im Innenohr verfügt.
- Jeder gesunde Mensch ist zu bestimmten Zeiten mehr oder weniger anfällig dafür.
- Auch Berufskapitäne oder Profisegler können Seekrank werden.
- 25 – 30% der Menschen sind anfällig für Seekrankheit, die Reizschwelle liegt dabei unterschiedlich hoch.
- Frauen sind anfälliger als Männer! Kleinkinder und ältere Personen sind generell weniger anfällig für Seekrankheit.
Klicke den nachstehende Link und lies einen aktuellen Artikel von Univ. Prof. Dr. Reinhold Jarisch in der österreichischen Ärztezeitung vom 15.8.2019 zum Thema Seekrankheit und die medikamentöse Behandlung!
Häufigkeit, Hauptsymptome und möglicher Verlauf der Seekrankheit
Häufigkeit
- 25 – 30% der Bevölkerung sind anfällig für Seekrankheit.
- Die Reizschwelle liegt unterschiedlich hoch.
- Frauen sind generell anfälliger als Männer.
- Kinder ab 6 Jahren bis ca. 12 Jahren sind anfälliger.
- Säuglinge und Kleinkinder sind so gut wie nicht anfällig.
- Ältere Personen werden mit zunehmendem Alter immer weniger anfällig.
Symptome
- Am Beginn: Müdigkeit, Trägheit & Rückzug
- Blässe & kalter Schweiß
- Übelkeit & Erbrechen
- Schwäche & Kältegfühle
- Apathie & Wunsch nach Alleinsein
- Angst & Depression
- Gleichgültigkeit & mangelnde Sorgfalt
- Verminderte Muskelkoordination
- Und viele mehr...
Verlauf
Bei wenig Erfahrung an Bord ist der Verlauf der Krankheit meist ähnlich!
- Von An-Bord-Gehen weg Probleme sich an Bewegungsverhältnisse anzupassen.
- Leichter Kopfschmerz, trockener Mund.
- Übelkeitsempfinden mit anschließendem Erbrechen.
- Nach und nach Rückgewinn der Bewegungskontrolle und Sicherheit.
- Es kommt zu keiner weiteren Reiseerkrankung am selben Törn
- Landkrankheit kann nach längeren Aufenthalten an Bord auftreten.
Was ist Seekrankheit?
Motion Sickness ist ein bekanntes Phänomen, welches bei passiver Fortbewegung auftreten kann, zum Beispiel beim Reisen. Dabei kann die sogenannte Reisekrankheit bei jedem Einzelnen in unterschiedlicher Weise auftreten. Die Symptome können plötzlich, schleichend, langandauernd oder auch verzögert auftreten und zeichnen sich durch Übelkeitsgefühle, Schwindel, Kopfschmerzen oder sogar Erbrechen aus. Üblicherweise beginnt das vegetative Beschwerdebild mit Müdigkeit und verminderter Aufmerksamkeit, bis hin zu Blässe, vermehrtem Speichelfluss und kann schließlich in Übelkeit und Erbrechen sowie einen starken Krankheitsgefühl übergehen. Auch starke Brechanfälle kommen vor.
Generell ist die Neigung zur klassischen Bewegungskrankheit variabel, dennoch leiden primär jüngere Personen zwischen 8 und 12 Jahren sowie Frauen häufiger daran, ohne den Grund dafür zu kennen.
Obwohl diese Symptomatik nicht vollständig erforscht ist, ist die Ursache bekannt. Bei der Kinetose besteht ein Missverhältnis, zwischen dem, was das Auge wahrnimmt und dem Gleichgewichtssystem im Innenohr. Es handelt sich hierbei also um eine völlig natürliche körperliche Reaktion, die keinen Krankheitswert besitzt und von allein wieder abklingt, sofern die Symptomatik nur in Zusammenhang mit Bewegung auftritt.
Wie entsteht Seekrankheit genau?
Der Körper besitzt ein ausgeklügeltes System des Informationsaustausches. Damit es zu den Symptomen der Bewegungskrankheit kommt, erfolgen eine Reihe von verschieden Prozessen im Körper, die völlig unbewusst ablaufen. Der herrschenden These zufolge entsteht die Reisekrankheit infolge eines Widerspruchs der erfahrenden Bewegung und der Körperlage, wodurch es in Folge zu einem Fehlersignal im Hirnstamm kommt. Dieses Konzept wird „Sensory Mismatch Theorie“ genannt.
Körperferne Signale von den Augen, dem Innenohr sowie den Mechanorezeptoren in den Muskeln und Gelenken informieren das Gehirn über dessen Stellung und über die Körperhaltung. Bei der Seekrankheit führt der visuell-vestibuläre Konflikt eben zu diesem Konflikt zwischen dem Seeeindruck und dem Lagesinn des Innenohrs. Langsame, passive Bewegungen zwischen 0,1 und 0,5 Hz erregen den Vestibularapparat wesentlich stärker und führen häufiger zu Übelkeit und Erbrechen, als Bewegungen höherer Frequenz.
Das Gleichgewichtsorgan befindet sich im Innenohr und besteht aus drei Bogengängen und dem Maculaorgan mit den bezeichneten Strukturen Sacculus und Utriculus. Die Bogengänge sind mit Endolymphe gefüllte Hohlräume, welche Drehbeschleunigungen wahrnehmen, indem die Haarzellen als Sinnesezellen die Beschleunigung oder Verlangsamung der Flüssigkeit als Information über den Bogengangnerv an das Gehirn weitergeben. Die Makulaorgane erfassen lineare Beschleunigungen, indem die sogenannte Otolithenmembran beschwert wird. Nach Eingang der Sinnesinformationen gelangen die entsprechenden Informationen über den VIII. Hirnnerv (Nervus vestibuluscochlearis) zum Hirnstamm. Hier sammeln sich sämtliche Signale der Sinneszellen und werden in Folge abgeglichen und an höhere Zentren des Gehirns weitergegeben.
Welche Rolle spielt Histamin bei Seekrankheit?
Der Mensch ist in der Lage Histamin selbst zu produzieren und nimmt es mit der Nahrung auf.
Tierversuche haben gezeigt, dass Histamin einer der entscheidendsten Auslöser der Bewegungskrankheit ist. Bei der Seekrankheit katalysiert das Enzym Histidindecarboxylase die Freisetzung von Histamin aus Histidin. Durch Blockade der Histidindecarboxylase lässt sich die Produktion von Histamin verhindern, sodass Symptome ausbleiben. Diese Beobachtung kann durch die Tatsache bekräftigt werden, dass selbst blinde Menschen, die dementsprechend keine visuellen Reize aufnehmen und weitergeben können, seekrank werden.
Es gibt darüber hinaus Anzeichen, dass Vitamin C in Verbindung zum Histamin steht. Ratten sind der Lage Vitamin C selbst zu synthetisieren. Bei ihnen ruft die Rotationsbewegung zwar ebenso Übelkeit auf, doch diese hält nur wenige Sekunden an.
Auch bei der deutschen Marine steht Vitamin C im Fokus bei der Linderung der Symptomatik bei der Seekrankheit, da die gängige Medikation Nebenwirkungen auslöst, welche die Dienstfähigkeit negativ beeinflussen kann. Hoch dosiertes Vitamin C weist eine antihistamine Wirkung auf, deren Wirksamkeit bei der deutschen Marine in einer Studie mit 70 Teilnehmern bei Frauen und Männern bis 28 Jahren nachgewiesen werden konnte.
Medikamentöse Behandlung der Seekrankheit:
Manchmal hilft alles nichts und ein Medikament muss her. In diesem Fall kann auf Präparate in Tablettenform, Pflaster oder Kautabletten zurückgegriffen werden. Der Vorteil ist, dass die Medikamente sogar wirken, wenn die Symptome bereits eingesetzt haben. Welches Präparat empfohlen wird, hängt vom Alter, der Schwere der Symptomatik und dem Gesundheitszustand ab.
Scopolamin gehört zu den gängigsten Mitteln bei Reiseübelkeit und unterdrückt Übelkeit und Erbrechen wirksam, indem es die muskarinischen Acetylcholin-Rezeptoren antagonisiert. Zu den unerwünschten Nebenwirkungen gehören Sehstörungen, trockene Augen und Mund sowie Kopfschmerzen und Benommenheit. Präparate, die Scopolamin beinhalten sind verschreibungspflichtig.
Zu den beliebtesten nicht verschreibungspflichtigen Präparaten gegen Reiseübelkeit gehört Dimenhydrinat, das in zahlreichen Präparaten enthalten ist und sehr wirksam hilft. Dimenhydrinat gehört zu den Antihistaminika der 1. Generation und bewirkt eine Blockade der H1-Rezeptoren, wodurch Übelkeit und Erbrechen entgegengewirkt wird. Neben Tabletten gibt es auch Kaugummis, die antihistaminhaltig sind.
Seit kurzem gibt es Antihistaminka der 2ten Generation, welche über wesentlich weniger Nebenwirkungen verfügen sollen! Zuverlässige Studien dazu sind mir bis Dato nicht bekannt.
Die Liste der Medikamente stellt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und dient nur einer ersten Übersicht!
!!! Sprechen sie vor der Einnahme eines Medikamentes immer mit ihrem Arzt oder Apotheker!!!
Quellenverweise:
(1) Studie zu Vitamin C, Jarisch R, Weyer D, Ehlert E et al.: Impact of oral vitamin C on histamine levels and seasickness. J Vestib Res Equilib Orientat 2014; 24: 281–288
(2) Studie zu Vitamin C, Koch A, Cascorbi I, Westhofen M, Dafotakis M, Klapa S, Kuhtz-Buschbeck JP: (2018) The Neurophysiology and Treatment of Motion Sickness. Dtsch Arzteblatt Int 2018; 115: 687–696
(3) Kompendium der Flugmedizin, Institut der deutschen Luftwaffe, S. 157 Grafik https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&ved=2ahUKEwiW3Nb54qz0AhVokIsKHa1GDH4QFnoECAMQAQ&url=http%3A%2F%2Fwww.flugmedizin.at%2FKompendium_Flugmedizin.pdf&usg=AOvVaw23Ty2vAwdOnOpKxxqbBGnk
(4) Maritime Sportmedizin in der Bundeswehr: Von der Seekrankheit bis zu Tauchunfällen, 2021/11
https://wmm.pic-mediaserver.de/index.php?f=artikel&a=202111_wmm2021011_S429_Koch
(5) Studie zu Visuopatialen Tätigkeiten, https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S000368702030212X?via%3Dihub